Welser Kolumne #1 – erschienen am 15.7.21 in den Oberösterreichischen Nachrichten.
In den meisten Beziehungen gibt es irgendwann einen ganz besonders folgenschweren Moment: Man lernt die Schwiegereltern kennen. Plötzlich hat man das Gefühl, dass es „ernst“ werden könnte, und das gurrende Turteltäubchen im Herzen wächst plötzlich zu einer waschechten Beziehungswachtel heran. Mein Vater nannte es damals, mehrere Male, die „präeheliche Präsentation“. Ein Treffen, bei dem alles möglich ist: Heiße Liebe oder sofortiges Schlussmachen; ein Treffen, dessen Charme sich zwischen herzlichem Beschnuppern und einem Krisengipfel während des Kalten Krieges bewegt.
Während ich dies schreibe, bin ich noch gar nicht in Wels angekommen. Doch gerade deshalb habe ich das Gefühl, es stünde genau dieses Krisentreffen unmittelbar bevor. Meine neue Freundin heißt Wels – aber was soll ich tun, wenn die Eltern mich nicht mögen?
Wenn ich gleich zum Einstand in irgendein Fettnäpfchen trete und den Fuß nicht mehr herausbekomme? In den heutigen Zeiten ist ohnehin jeder Familienbesuch ein Minenfeld. Plötzlich kommen Dinge ans Tageslicht, die ungeahnte Sprengkraft besitzen: Der Cousin geht auf Corona-Demos, die Schwiegermutter betreibt Schamanenheilung und der -Vater prüft mich vielleicht über das Gesamtwerk Hermann Nitschs ab! Was, wenn Geschichtliches abgefragt wird? Österreichische Parteienhistorien? Nicht auszudenken.
Und was, wenn ich die Prüfung nicht bestehe? Werde ich zurückgeschickt wie eine voreilige Online-Bestellung? Rücksendegrund: Passt nicht? Falsche Farbe? Sieht anders aus als auf den Fotos? Werde ich in irgendeinem Writer-Return-Center verschrottet oder muss zukünftig Presseaussendungen fürs Welser Kulturamt schreiben? Wird vielleicht bei der Jury des Stadtschreiberpostens nochmals reklamiert? Oder schlachtet man die paar Teile aus, die man an mir noch verwenden kann, und wirft dann den Rest in die Traun?
Zusätzlich besteht bei dem Treffen die Gefahr, dass man in den Schwiegereltern vielleicht Dinge entdeckt, die einen an den Partner erinnern. Wie in einer Glaskugel sieht man, wohin sich der geliebte Mensch entwickeln könnte. Oder schlimmer noch: Man entdeckt Ähnlichkeiten zu sich selbst und fragt sich: Warum hat meine Freundin gerade mich gewählt? Sehe ich aus, als stünde ich auf Schamanenheilung?
Wenn einmal diese Saat des Zweifels gepflanzt ist, wird es schwer, sie aus dem Beet zu bekommen – dafür liegt man im Bett bald wieder alleine. Darum muss man sich fest daran erinnern, dass doch jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Man muss die eigenen Ängste überwinden, um sich überhaupt im anderen finden zu können. Also, Wels, ich bin gespannt auf dich. Gib mir die Hand, lass dich herzen, lass uns reden.
Und sollten Sie tatsächlich Schamanenheilung betreiben – bitte melden Sie sich bei mir. Ich wäre gespannt auf ein Kennenlernen.