Per Dieselbus durch die Galaxis

(Wels-Kolumne #5)

Als ich nach Wels kam, humpelte ich auf Krücken. Aber dann zündete ich den Turbo.

Auf Krücken lernt man eine Stadt neu kennen. Selbst kürzeste Wege fühlten sich an wie eine Reise zum Mars. Doch dann kam die Rettung: Die Welser Linien stifteten ein Stadtschreiber-Ticket. Ich fühlte mich wie neugeboren: Aus dem vierbeinigen Stadtschreiber wurde Agent 00-Wels, mit der Lizenz zur Freifahrt. Endlich stünden mir entlegenste, exotische Destinationen offen: etwa Dickerldorf oder Thalheim – das fand ich … oberhart.

Doch als ich meine Errungenschaft in Gesprächen erwähnte, erntete ich statt des erwarteten Jubels nur ein mühsam unterdrücktes Lächeln. Und ich fragte mich: Was wussten diese Menschen über den Welser Nahverkehr, was ich noch nicht wusste?

Zuerst lernte ich den Wert einer Haltestelle neu. Auf Krücken fühlt sich die Suche danach an wie die Jagd nach neuen Galaxien. Lichtjahre entfernt schienen mir die verheißungsvollen sonnengoldenen Schildchen. Und während ich so heranhinkte, kam ich ins Nachdenken: Welcher Bus fährt da eigentlich? Und wann fährt er? Was, wenn ich zu langsam bin und mir der Bus vor der Nase davonfährt? Nachlaufen kann ich kaum. Doch wann fährt der nächste? Fährt überhaupt noch einer? Komme ich jemals nach Hause? Die Grenze zwischen Timing und Taktung kann schmerzhaft sein.

Weiters lernte ich eine neue astronomische Konstante: So wie die Erde um die Sonne kreist, dreht sich das Welser Bussystem um den KJ – allerdings wird die Sonne gerade umgebaut, weshalb man im Orbit ein gefinkeltes System von Ersatzhaltestellen platziert hat. Das Kreuz aus Rabl- und Karl-Loy-Straße war ein schwarzes Loch, aus dem ich lange nicht herausgefunden habe. So saß ich da, über mir zogen die Sterne vorbei wie die Rücklichter von Sammeltaxis. Ich kam ins Sinnieren. Ich begriff etwa die Botschaft der Haltestellen: Man sucht lang nach der richtigen, doch wenn man sie gefunden hat, muss man sie fest-halten (daher der Name). Ich verstand, warum der Weg das Ziel sein kann: weil man irgendwann kein Ziel mehr braucht, sondern nur froh ist, wenn man irgendwo mitfahren kann. Ich begriff den Zufall als eine Chance, um Orte zu bereisen, die vielleicht noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Denn das Schicksal verhält sich ja im Grunde wie ein Stadtbus: Es bewegt sich nach eigenen Gesetzen, die man nicht immer bestimmen kann, doch wenn man seine Destination erreicht, hat man was geschafft – als wäre man der erste Mensch am Mond.

P.S.: Falls Sie noch ein Ziel für Ihre persönliche Lebensreise brauchen, kann ich Ihnen das Welser Lesefest empfehlen. Gemeinsam mit echten Literatur-Stars lese ich am Samstag, den 14. August, im Burggarten. Und falls Sie Vorschläge für neue Reisen im Wels-All haben, schreiben Sie mir bitte unter: wels@stefanabermann.org.

(Veröffentlicht in den OÖ Nachrichten, am 12.8.21)