Brot und Wasserspiele

(Welser Kolumne #11, erschienen in den OÖ Nachrichten, am 23.9.21)

Wer Märchen liest, kommt an etwas nicht vorbei: Brunnen. In Brunnen sitzen magische Frösche, Feen und Frau Holle – oft braucht man sich nur beherzt in die Tiefe zu stürzen, um im Wunderland aufzuwachen.

In diesem Sinne ist Wels tatsächlich eine kleine Märchenwelt. Vielleicht fahren irgendwann bald die Linzer zum Zwergerlschnäutzen hierher, statt umgekehrt. Emsige Zauberwesen haben eifrig geackert, um überall kleine Wasserspiele zu installieren. Ausgefuchste Steuerungssysteme pumpen kühles Nass durch ihre Bergwerksstollen, und lassen so einen Goldregen niederprasseln. Überall pritschelt es. Und tatsächlich geht nun gar die Sage um, dass jene, die einen güldnen Dukaten in das richtige Wasserloch werfen, sich von der Stadt etwas wünschen dürfen. Doch welchen Brunnen soll man dafür wählen? Die Entscheidung fällt nicht leicht. Alle haben Vor- und Nachteile.

Beginnen wir beim neuesten, jenem am KJ, eher geeignet für die Technikaffinen unter uns: Optisch angelehnt an eine Flugzeugturbine, kämpfen hier rhythmisierte Strahlbögen mit einem zentralen Wasserzerstäuber – jedoch scheint das Zusammenspiel noch unausgewogen – dieser Brunnen muss sich erst finden. Als Ausweichmöglichkeit für den Wunschkreuzerwurf bietet sich aber gleich etwas weiter eine Alternative an: Hier tauchen wir ein in die Welt hartgesottener Stahlträger-Ästhetik – „KJ alt“ sieht dabei aus, als ob man das Stadtlogo ungespitzt verkehrt in den Boden gerammt hätte. Gleichzeitig verhindert ein Hochdruck-Wasserfall-Sperrfeuer, dass jemand das eingeworfene Geld wieder herausfischen könnte. Im Pollheimerpark könnte das eher passieren, die Taufbecken-Form erleichtert den Einstieg, ebenso lockt die Parkidylle. Allerdings hindert die Pietät gegenüber den Gedenktafeln manche am Münzwurf. Also muss man schon auf den Stadtplatz ausweichen, doch auch hier fällt die Auswahl schwer. Bei den Düsen vor der Eisdiele könnte man höchstens hoffen, dass unser Geld ins richtige Amtszimmer katapultiert wird; eher dient ja der Brunnen als Stolperfalle für Smartphonezombies, die einen falschen Schritt mit nassem Schritt bezahlen. Der Reiz dieses Brunnens liegt in den spielerischen und den klanglichen Qualitäten: Es ist ein wohltemperiertes Klatschen, das wohl bis zum Rathaus hörbar ist. Und damit landen wir am Stadtbrunnen, mit seiner Renaissance-Engerl-Grazie, wo wir unseren Golddukaten versenken könnten – hoffend, dass dieses Geld nicht für die Fisch’ ist. Noch während die Münze fliegt, sinnieren wir, was wir uns damit wohl sonst so hätten leisten können. Denn vielleicht denken Sie sich auch schon die ganze Zeit: Haben wir nicht andere Probleme als Brunnen? Und ich sage: Ja, vielleicht schon. Aber das soll dieses Wässerlein nicht trüben.