Rosskür

(Welser Kolumne #12, erschienen am 30.9.21 in den OÖ Nachrichten)

Oftmals gibt es „Koinzidenzen“: Ereignisse, die scheinbar zusammenhängen, auch wenn sie nichts miteinander zu tun zu haben. Zufällig war nun am vergangenen Sonntag in Wels nicht nur Wahl-, sondern auch Trabrenntag. Und ich will den Pferden nicht zu nahe treten, aber: Es gibt Parallelen.

Alles beginnt mit Aufwärmrunden. Mit bunten Bändern an den Ohren schwärmen die Zugpferde aus, gelenkt von Menschen in eigentümlichen Anzügen, den Spindoktoren des Rennsports, die ihre Tiere mit sanftem Druck in die richtige Spur bringen wollen. Bei den Pferden gibt es große Vielfalt. Da sind die schneidigen, die motivierten, solche, die mit größeren Scheuklappen durchs Leben traben, und die, die eher wirken, als machten sie nur widerwillig mit. Auf jeden Fall werden jene, die davor heimlich eine Spritze bekommen haben, bei den Kontrollen disqualifiziert.

Das Publikum beobachtet derweil: Manche eher oberflächlich, andere ganz professionell, indem sie in Zeitungen die Quoten studieren und die Pferde bewerten: welche Erfolge so ein Ross vorzuweisen hat, welche Gene es mitbringt, ob seine Eltern gut „vererbt“ haben. All das fließt ein, wenn man dann zum Wettschalter geht, um einen angekreuzten Schein abzugeben.

Und dann geht’s los. Wie von unsichtbarer Hand gesteuert, formieren sich die Gespanne hinter dem fahrenden Startgatter, man bezieht Stellung – mancher Jockey hält sich hier taktisch zurück, damit sein Pferd nicht „springt“, also in Galopp verfällt und ausgeschlossen wird. Doch dann ist der Start frei! Das Gedonner der Hufe tost durch die Luft, die Spannung steigt, angepeitscht von den aufgeregten Kommentaren aus dem Lautsprecher.

Was sagt die Hochrechnung? Die Gespanne sausen dahin wie anderswo Balkendiagramme, eine, zwei Runden! Bis schließlich eines die Ziellinie überquert, unter dem Applaus der Anhänger. Danach folgt die Preisverleihung. Der Sieger tänzelt herbei, lacht wiehernd in die Kamera und bekommt einen Pokal, vielleicht sogar eine Tüte Hafer.

Und wie bei Wahlen stehen die Sachverständigen daneben und diskutieren – bei den einen regiert die Freude über den Wettgewinn, bei den anderen der Jammer, weil man aufs falsche Pferd gesetzt hat und es nicht richtig gezogen hat. Die einen kassieren, andere lecken ihre Wunden.
Und ich frage mich, ob wohl die unterlegenen Pferde im Stall auch so dastehen wie anderswo Politiker. Ob sie wohl in ihren Boxen auch alle ständig sagen, was für ein großer Erfolg das Rennen doch war, ganz egal, auf welcher Platzierung sie eingelaufen sind. Wobei ich das den Trabern nicht zutraue. Sie sind sicher realistischer veranlagt. Auf der Bahn ist nämlich klar: Die einzige Wahrheit steht immer am Wettschein.

P.S.: Ich danke an dieser Stelle ganz herzlich dem Welser Trabrennverein, wo ich mit ansteckender Begeisterung über diese ehrwürdige Anlage geführt wurde. Falls Sie mir auch etwas in Wels zeigen wollen, melden Sie sich!