(Welser Kolumne #13, erschienen in den OÖ Nachrichten am 7.10.21)
Wels ist in vielerlei Hinsicht ein historischer Ort. Besonders anschaulich wird das, wenn man in der Fuzo seinen Fuß auf den römischen Fußabdruck setzt. Irgendwann hat ein römischer Legionär einen Schritt im Lehm Ovilavas gemacht, sicher ohne zu wissen, dass Jahrtausende später andere Menschen voller Ehrfurcht seine genagelten Sohlen bewundern würden. Ich stelle mir vor, wie das sein wird, wenn irgendwann in ferner Zukunft, nach Klimaapokalypse und weltweiten Umbrüchen, eine Horde von Archäologen über unsere Reste herfällt: Vielleicht liegen dann Smartphones im Minoritenmuseum, weggeworfene Wahlkampffeuerzeuge werden wie kleine Devotionalien verehrt, und es gibt Theorien darüber, wofür wohl diese Bronzestatue in der Innenstadt einmal gedient haben könnte.
Viele Spuren setzen wir unbewusst, doch umgekehrt ist vieles, was Eindruck hinterlässt, gar nicht sichtbar: Die alltägliche Arbeit von Freiwilligen etwa, die in der Not das Notwendigste tun – die in Essensausgaben Nächstenliebe auftafeln, die auf die Peripherie schauen, während alles sich aufs Zentrum konzentriert, die Schlafstellen bereitstellen oder Alltagshilfen leisten, bevor jede Hilfe zu spät kommt, oder all jene, die ganz einfach in den hunderten Vereinen dieser Stadt ein wenig Spaß in ihren Lebensraum bringen und dafür sorgen, dass das Leben etwas lebenswerter wird – sie alle hinterlassen Abdrücke, die wohl nie in einer Fußgängerzone zu bewundern sein werden. Doch wenn Engagement eine Währung wäre, gäbe es in dieser Stadt viele reiche Leute.
Natürlich gibt auch solche, die etwas verbessern wollen, dann aber doch daran gehindert werden. Es fehlt in diesen Fällen plötzlich an allem: An Zeit, an Ressourcen, an Geld …, aber doch meist vor allem an Bereitschaft, den ersten Schritt zu tun. „Der größte Feind der Verbesserung ist der fehlende Wille“, das hat vielleicht ein gescheiterer Mensch als ich schon vor Jahrtausenden geschrieben.
Dabei sieht man doch im Alltag so oft, was möglich ist, wenn alle zusammenhelfen. Wenn beim Welser Volksfest plötzlich eine Fläche, die über Monate nur ein Parkplatz war, zu einem tobenden Kessel werden kann und schillernde Denkmale der Lebensfreude in den Himmel wachsen, dann stehe ich begeistert daneben. Wenn sich quasi über Nacht die Welser Innenstadt in ein Velodrom verwandeln kann, dann kann ich auch als Mensch in Bewegung kommen. Wir sind zu großen Dingen fähig, die meisten davon beginnen ganz klein. Wenn ich hier als Literaturlegionär wieder abziehe, werde ich das mitnehmen: Jeder noch so kleine Schritt kann irgendwann tiefe Spuren hinterlassen.
P.S.: Ich habe in dieser Stadt viele getroffen, die mich tief beeindruckt haben, und normalerweise rufe ich hier dazu auf, dass auch Sie mir solche Geschichten zusenden. Doch diesmal sage ich: Schreiben Sie nicht mir, sondern reden Sie mit denen, die Dank verdienen. Sie sollen besser nicht Jahrhunderte darauf warten müssen.